Die zehn besten Auftritte meiner Freunde in Polizeikontrollen habe ich nie erlebt. Ich habe sie nur erzählt bekommen. Fast immer geht es dabei um Alkohol und Drogen, die ein oder bis zu vier PKW-Insassen zuvor konsumiert haben. Sie spielten in Italien, Frankreich und Deutschland zu Zeiten, als alles noch anders war, auch das Überfahren einer Grenze. Bevor ich dazu komme, wie diese Geschichten ausgingen, unterbreche ich mich für die Frage, welche Fußleisten man eigentlich in seiner Wohnung, seinem Haus anbringen sollte. Man hat mir gerade jetzt zwei Modelle zur Auswahl gestellt, eines ist nicht aus Holz, sondern vermutlich aus gepresster Pappe, also zumindest etwas Holzähnlichem. Wahrscheinlich gepresste und gekochte Späne aus Holzabfällen, die gerade in dem Moment ihres größten Triumphes aus einem Baum herausgeschnitten wurden, gerade, als sie noch hofften, zu einem rustikalen Möbelstück verarbeitet zu werden.
Die anderen stammen tatsächlich aus einem Baum und sind sogenanntes Echtholz, was sich von Fakeholz unterscheiden soll. Das Thema bei Fußleisten ist dann aber, dass die Echtholzleisten noch angestrichen werden müssen, damit sie auch richtig gut aussehen und sich nicht zu sehr von Boden und Wand abheben. Der mit dieser Grundentscheidung einhergehende Zwiespalt hat mich (und nicht nur mich allein) Jahre lang daran gehindert, Fußleisten anzubringen. Ich habe sie mir noch nicht einmal gekauft. Bis vor kurzem. Da war es soweit. Ich erinnere mich noch daran, wie schnell das Aussuchen vonstatten ging. Dinge, die nun für die nächsten Jahre meinen Fußboden schmücken. Es ist manchmal doch erstaunlich, dass von einem kurzen Moment sehr viel für die Zukunft abhängt. Praktischer veranlagte Menschen als ich würden sich im Moment des Einzugs in Wohnung oder Haus schon entschieden haben und nicht 8 Jahre warten, bis eine Entscheidung in ebensolcher Geschwindigkeit fällt.
Popstars und Magier und Du und ich werden alt, während sie Wohnungen beziehen und Farben an die Wand und Fakeholz an die Grenze zwischen Boden und Wand zaubern. Der Trick ist alt und man hat ihn – je öfter man umgezogen ist – schon etliche Male gesehen. Früher zogen sie Kaninchen aus dem Hut, als sie noch jung waren. Auch alte Magier waren mal junge Magier. Auch als junger Magier wird man mitunter von der Polizei angehalten. Sie fragen nach Alkohol und Drogen. Du zeigst Ihnen einen Kofferraum voller leerer Bierdosen. Man sollte immer einen Kofferraum voller leerer Bierdosen habe, da dies vom Eigentlichen ablenkt, solange nicht ein Spürhund mit seiner feinen Nase dabei ist. Kein Polizist will leere Bierdosen durchsuchen. Da wäre ja auch nichts drin zu finden, denn – sehen Sie, Herr Wachtmeister – die Dosen sind ja leer. Und, ja, ich habe die Dosen gestern und in der Woche davor leer getrunken, so dass ich jetzt völlig nüchtern bin. Die Jungs auf dem Rücksicht kichern gerade etwas lauter. Na ja, die haben mir gestern dabei geholfen.
Das ist alles so unendlich weit weg, sowohl in Zeit und auch in Raum. So weit entfernt. Und doch holt die Erinnerung alles ganz nah ins hier und jetzt. Als alter Magier hat man wie als alter Popstar die Erinnerung an das, was war. Wir schaffen uns einen Berg aus Erinnerung und manchmal auch einen Berg aus Dingen. Den Dingberg wegzuzaubern ist eine eher langwierige Aufgabe, der sich zu stellen auf jeden Fall lohnt. Die Umwandlung von Dingen in Erinnerung ist ein strahlender Moment namens Verkauf, Verschenken oder Vernichten, irgendwas mit V also. Der Eigentümer einer Sache darf mit ihr beliebig verfahren, er darf sie beschädigen oder sogar zerstören. Diese Materieumwandlung setzt ungeahnte Energie frei, die zum Teil in Erinnerungsenergie absorbiert wird und aber auch jede Menge freie Energie dem Eigentümer lässt – Energie, die er zum Leben gut gebrauchen kann.
Ein nicht so beliebter Akt der Freisetzung von Erinnerungsenergie ist etwas, worüber auch alte Magier nicht gerne sprechen.