Die schönsten Schuhe der Welt

Schuhe zu bekommen kann richtig schwer sein. Okay, das klingt nach einem dieser verwöhnten Wohlstandserwachsenen, der oder die sich gerade vor dem handgezimmerten 100er Schuhschrank umschaut und nicht weiß, welcher Schuh es denn heute zur Soiree auf Sans Souci sein darf. Ich meine andererseits auch nicht das Flüchtlingskind, das schon 3000 Kilometer in Schlappn oder…

Schuhe zu bekommen kann richtig schwer sein. Okay, das klingt nach einem dieser verwöhnten Wohlstandserwachsenen, der oder die sich gerade vor dem handgezimmerten 100er Schuhschrank umschaut und nicht weiß, welcher Schuh es denn heute zur Soiree auf Sans Souci sein darf. Ich meine andererseits auch nicht das Flüchtlingskind, das schon 3000 Kilometer in Schlappn oder Trainers gelaufen ist und sich gerade zum hundertsten Mal der Übergriffe anderer Mitbewohner einer Unterkunft erwehren muss. Mitbewohner, die schon lange keine Schuhe mehr besessen haben.

Aber bitte, man sollte nicht voreilig über seufzende Männer eines mittleren Lebensalters den Stab brechen. Jedenfalls las ich in einem dieser Losgehwandern-Bücher über die richtigen Schuhe fürs Gehen, Wandern und wahrscheinlich auch fürs Flüchten. Den ständigen Gedanken an die Menschen in Sandalen oder Turnschuh aus chinesischer Produktion, die an den Grenzen und auf Inseln in Lagern und auf Schiffen und auf Schlauchbooten und in Zäunen aus Stacheldraht und vor einem Polizeibeamten eines fremden Staates und dann irgendwann in einem Zimmer und vielleicht sogar in einer Wohnung leben – ich schubse ihn beiseite. Und er kommt immer wieder zurück.

Also, mein Thema: Ich kann schon seit geraumer Zeit nicht mehr Schuhe bekommen. Also solche, die nicht 800 Euro kosten. Was schon mal eine Einschränkung des mir zur Verfügung stehenden Schumarktes ist. In meiner Kindheit gab es ein Schuhgeschäft, das nicht Teil einer Kette von Schuhgeschäften war. Dorthin ging ich mit meiner Mutter und wir kauften die schönsten Schuhe meines Lebens. Sie waren aus braunem Wildleder und hatten recht große Ösen. Der Schuhleisten sah in meiner Erinnerung schon speziell aus. Ich habe ihn im Erwachsenenleben nur ganz selten wiedergesehen. Genau wie ich meine speziellen Turnschuhe aus der Jugend nie wieder sah. Sie waren für den Sport, den ich betrieb – Tischtennis – ideal und sie hatten blaue und rote Streifen auf weißem Wildleder. Ich schrieb die Firma an, doch sie wussten nicht, welches Modell sie vor Jahren hatten, welches mich so glücklich gemacht hatte.

Wie wenig gut ich in meinen Schuhen gehen kann, also in den Schuhen, die ich jetzt besitze. Und dabei sind die doch zum Gehen gemacht! Sogar zum Wandern, also dem ausdauernden, langanhaltenden und bei allen Wettern stattfindenden Gehen. Oder zum Sport – sie nennen sich Trainer! Oder zum Anpirschen und Wegstehlen – Sneaker! Meine Füße kommen seit Jahren nicht klar mit diesen Schuhen und es ist eine Erkenntnis, die lange in mir gereift ist und dann doch mit Wucht kam, als ich versuchte. Schuhe zu kaufen. Die Schuhgeschäfte der Kindheit sind schon lange passee. Wanderschuhe kann ich kaufen, will ich aber nicht, denn ich habe welche, mit denen ich nach zähem Kampf klarkomme. Ich möchte elegante Schuhe in schwarz, bordeaux oder cognac, die elegant einen Norweger oder Budapester-Charme versprühen, mit fester Sohle, stabiler Qualität, einen Schuh, der auch mal mehr als zehn Jahre hält, da sich meine Füße wohl nur noch marginal verändern. Oh, ich gehe davon aus, dass ich nochmal zehn Jahre leben werde, was ich schon mal als gutes Omen nehme.

Die Schuhe, die als Trainer kaufte, habe ich nach und nach weggeben. Die letzten legte ich in einen Container, zusammengebunden, damit sie sich in der dortigen Dunkelheit nicht ganz alleine fühlen. Ich habe noch nie jemanden gesehen, wie er versuchte, in diesen meinen früheren Schuhen zu gehen.

Depeche Mode / Walking In My Shoes / https://youtu.be/1tZxMi7EG3A