Der Regen

Neulich machte ein Staat einen anderen für den Mangel an Regen verantwortlich. Es handele sich um einen schweren Fall des Wolkendiebstahls. Die Suche nach den Urhebern dieses Diebstahls führte zu Männern in schwarzen Anzügen, die in einer – unter höchsten Risiken für die filmende Person gedrehten – Videoaufnahme erwischt wurden. Das Video ist nur auf…

Neulich machte ein Staat einen anderen für den Mangel an Regen verantwortlich. Es handele sich um einen schweren Fall des Wolkendiebstahls. Die Suche nach den Urhebern dieses Diebstahls führte zu Männern in schwarzen Anzügen, die in einer – unter höchsten Risiken für die filmende Person gedrehten – Videoaufnahme erwischt wurden. Das Video ist nur auf einer Geheimplattform für Geheimdienste abrufbar. Regen hin oder her, auch in Deutschland gibt es solche Fälle von Regenmopserei und zwar seit Jahren. Aufgefallen sind diese Fälle aber erst, seitdem man in manchen Städten die sommertägliche Rasenbewässerung rigoros eingeschränkt oder gar untersagt hat. Rasen und Mensch, Mensch und Natur, sie passen eben einfach nicht zusammen.

Dabei hatte das mal ganz gut angefangen, das mit Mensch und Natur. Beide waren einmal eins, der Mensch und die Natur. Regen gab es kostenlos. Yinni, Yan und Yorick hatten hierüber monatlich in einem Fachmagazin berichtet, in jener goldenen Zeit. Man berichtet gerne aus diesem Zeitalter, als noch Rauch- oder Nebelschaden durch die Kneipen zogen, in denen Väter noch Sonntags Bier tranken und Kinder sich mit Literatur über Wasser hielten. Draußen regnete es, innen wurden alle nass, draußen leise und drinnen eher lustig laut. Es gab noch Bockwürstchen, die mit Kartoffelsalat gemeinsam über den großen Tellerrand des Lebens hinwegschauten und zu besonderen Anlässen gab es Tatar, zum selber Anrichten, wie es die Natur vorsah.

Überhaupt: diese Natur. Es liegt in der Natur der Dinge, so zu sein wie sie sind und erst dann zu werden wie wir es wollen, wenn wir versuchen, sie zu verändern. Ohne Veränderung bleibt alles Natur und die Natur in einem Ding selbst. Das ist im Prinzip ein schöner Zustand, wobei wir diesen Zustand gar nicht bewerten wollen. Geht man in die Natur hinaus, dann staunt man, egal, ob in der Wüste oder unter Wasser, was es dort alles so gibt. Und auf dem Rückweg aus der Natur in die Kneipe sieht man dann viele Dinge, die von Menschenhand verändert wurden: domestizierte Wölfe in Mantelwesten, Touristen in offenen Cabriobussen, betrunkene Aggrokids (Agrarkinder), denen man tunlichst in Bus und Bahn, auf Deichkrone und im Unterwassertunnel aus dem Weg geht, wuchernde Büsche, die in skurrilste Formen geschnitten werden, sogar auf Friedhöfen (mit Ausnahme von Hainfriedhöfen, in denen Bäume fast schon natürlich wachsen) und natürlich Gabionen, in denen sogar Steine eingesperrt werden. Diesen bedauernswerten Steinen ist es mittlerweile egal, ob sie angesprayt werden, ob ein Mantelwestenhund sie anpinkelt oder ob der Regen auf sie fällt. Das Risiko einer solchen Attacke auf Steine ist äußerst gering, doch nur der Regen lässt die Steine unverändert. Natur halt, Ihre Haltbarkeit ist sagenhaft. Am Ende eines langen Sommers ist der Wolkendiebstahl aufgeklärt, die Wolken werden wieder zurückgegeben. Sind Wolken nun Ausfluss der Natur? Diese Frage zu stellen, heißt Mantelwestenhunde nach Athen zu tragen, in einer Handtasche, denn es gibt auch Mantelwestentaschenhunde, die Endgabionen der tierischen Natur.

Natur / Regen:

Kate Bush / Cloudbusting / https://www.youtube.com/watch?v=pllRW9wETzw

Deichkind / In der Natur / https://www.youtube.com/watch?v=C1wKQUFuzng

Poppy Ackroyd / The Rain / https://youtu.be/5nCRNIKkKSs / https://www.youtube.com/watch?v=HbTM4rbkQ2Q

The Style Council / Long Hot Summer / https://youtu.be/1CAzwewVjZ0