Neulich war ich im Supermarkt und wollte etwas für ein Essen einkaufen: Senf. Senf, um Bratwürstchen mit Currysauerkraut und Kartoffelpürée angemessen geschmacksverstaerkend begleiten zu können. Gedacht, gekauft. Daheim wollte ich dann das neu erworbene Senfglas in den Kühlschrank legen und fand dort eine Tube mittelscharfen Senfes, die ihrer Benutzung treu harrte. Ein typischer Fall systemischer Inkohärenz, also eines Wortes, das ich bislang nicht kannte, was sich aber sofort erschloss, als ich es das erste Mal gehört hatte. Das kohärente Sytem wäre so abgelaufen: Befüllen des Kühlschranks, indem man zunächst überlegt, was man zum Essen benötigt und dann in den Kühlschrank schaut, ob es bereits vorhanden ist.
Bei Nachdenken über das einmal gefundene System solcher Abläufe kommt man ziemlich schnell auf ähnliche Ausprägungen in völlig unterschiedlichen Gebieten und Soziotopen: Eltern oder beratende Kollegen, die Kindern oder Mitarbeitern völlig unterschiedliche Ansagen machen, wobei die Rollen sich auch kreuzweise vertauschen lassen. Jedenfalls geht es stets darum, dass sich beide Sorten Mäuse das inkohärente Verhalten systemisch zu nutze machen wollen.
Spannend ist es auf einer Gossipebene zwei unterschiedliche Nachrichten zu verbreiten oder zu bekommen. Wobei das eben für mich neu „erfundene“ Wort der Gossi-pebe-ne sich wunderbar trennen lässt. Cut-Up-Technique funtkioniert so ähnlich, nur dass dann noch sinnloseres Zeug herauskommt. Das Zerschneiden von Sinn führt nbaturgemäß zu inkohärenter Kohärenz.
Besonders ärgerlich sind Schleifen zum Einloggen ins Internet und telefonische Fragen an Versicherungsmitarbeiter. Dort werden beispielsweise sogar die eigenen Versicherungskollegen aus der Telefonschleife der Schadenssachbearbeiter herausgeworfen. Man ist wieder zurückgeworfen auf die eigene Hilflosigkeit – wie in der Kindheit. Ich hatte noch eine Kindheit, in der man nie errerichbar war. Man fuhr für drei Wochen auf der Rückbank im Kadett der Eltern in den Sommerurlaub an die Adria und diese riefen nach einer Woche eventuell die Oma oder den Opa an, nur um zu hören, dass diese vor Aufregung und wegen der Reise der Kinder und des Enkels einen nervösen Magen und eine Einweisung ins örtliche Krankenhaus bekommen hatten. Zwei Wochen später fuhr man dann zurück und wurde von ebendiesen Großeltern doch eher vorwurfsvoll – aber wieder gesundet – begrüßt. Diese Inkohärenz hat sich auch auf zeitlicher Ebene entwickelt. Die Großeltern von einst sind leider schon lange Geschichte, genauso wie die Sorglosigkeit der Urlaube. Dieser Text wird schließlich via Internet geschrieben.
Das Gegenteil – gleichgerichtete Handlungen – Denken in einem ähnlichen System – erreicht man nur unter ganz bestimmten zeitlichen, räumlichen und personellen Umständen. Man muss dazu auf demselben Strich gehen.
Everything But The Girl / Walk The Same Line / https://youtu.be/a3FtqdxA0Kc?si=5v_XA69I19NdjCG3
